Atriva: Fusion mit Biocure und Börsengang

Atriva Therapeutics (Tübingen, Martinsried) gab eine Vereinbarung zum Reverse Merger mit der kanadischen Biocure Technology Inc. bekannt. Nach erfolgreichem Abschluss der Transaktion wird das entstehende Unternehmen die Geschäfte von Atriva Therapeutics fortführen und an der kanadischen Börse gelistet sein.

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Es sind noch einige Schritte zu gehen, aber die Atriva Therapeutics GmbH, die vor kurzem von Tübingen nach Martinsried gezogen ist, sieht die jetzt getroffene Vereinbarung als „einen wichtigen Schritt in Atrivas Engagement, schwere RNA-Virusinfektionen mit innovativen, auf Wirtszellen abzielenden Therapien zu bekämpfen“, wie es in der Mitteilung des Unternehmens zum Reverse-Merger-Vertrag heißt.

Die Unterzeichnung einer exklusiven Vereinbarung mit Biocure Technology Inc. (Vancouver, Kanada), an der kanadischen Börse unter dem Kürzel CURE notiert, ist nicht unbedingt das, was Beobachter als „selbstverständlich“ bezeichnen würden. Denn Biocure ist bislang im Bereich der Biosimilars aktiv, also der Nachahmerprodukte von Biologicals, die den Entwicklern und Herstellern der Originalpräparate nach Ablauf des Patentschutzes Marktanteile abjagen wollen.

Die bisherige Strategie von Atriva war es, genau solche Originale (small molecules) für Atemwegserkrankungen und andere Infektionskrankheiten zu entwickeln, also nicht zu früh mit Biosimilars in Konkurrenz zu treten. Der Reverse Merger, bei dem Atriva 75 Prozent an der börsennotierten Biocure halten wird, führt dann wohl dazu, dass die bisherige Biosimilar-Sparte der Kanadier abgestoßen wird oder einschläft, wenn dies nicht schon im Vorfeld der gesamten Transaktion auf kanadischer Seite geschieht. Dort gab es auch eine Abspaltung von Biocure Pharma vom Mutterkonzern, die dem ehemaligen kanadischen CEO wohl als Abschiedsgeschenk mitgegeben wurde.

Während der Pandemie war es Atriva nicht rechtzeitig gelungen, ein aus der Grippevirusforschung übernommenes Wirkprinzip zur Hemmung der Virusvermehrung auf das Coronavirus zu adaptieren. Daraus wurde ein breiterer Entwicklungsansatz, der gleich mehrere infektiöse Viren in die Schranken weisen sollte.

Hierzu hatte die Atriva Therapeutics GmbH Ende vergangenen Jahres erste Ergebnisse der Proof-of-Concept/Phase IIa RESPIRE-Studie (Zapnometinib) bei Patienten mit mittelschwerer bis schwerer COVID-19-Erkrankung veröffentlicht. Die Studie litt unter Rekrutierungsschwierigkeiten. Diese ergaben sich aus weniger Krankenhausaufenthalten aufgrund der Omikron-Variante im Vergleich zu früheren Varianten. Atriva war gezwungen, die Studie mit 104 auswertbaren Patienten zu beenden, nur etwa halb so vielen wie ursprünglich geplant.

Dennoch waren die Ergebnisse vielversprechend, und Prof. Dr. Gernot Rohde, Leiter der Abteilung Pneumologie und Professor für Lungenheilkunde und Allergologie am Klinikum der Goethe-Universität, Frankfurt am Main  (Global Coordinating Investigator RESPIRE), fasste sie zusammen: „Trotz der jüngsten Zulassungen von Therapien für Patienten mit schweren COVID-19-Infektionen besteht weiterhin ein erheblicher ungedeckter medizinischer Bedarf an zielgerichteten, wirksamen Therapien für schwere virale Atemwegsinfektionen. Die Daten für Zapnometinib aus der RESPIRE-Studie sind sehr ermutigend und deuten darauf hin, dass der innovative Ansatz, der auf den intrazellulären Raf/MEK/ERK-Signalweg abzielt, bei der Behandlung dieser Erkrankungen wirksam sein könnte.“

Atriva wollte daraufhin die weitere klinische Entwicklung von Zapnometinib auf schwere Influenza, COVID-19 und respiratorisches Synzytialvirus (RSV) ausweiten und hatte eine nächste Studie (PanTher-Studie geplant für Q1/23) angekündigt, zu der es aber bisher keine weiteren Neuigkeiten gibt. Offensichtlich war zwischenzeitlich das Thema eines möglichen Börsengangs „durch die Hintertür“ stärker in den Vordergrund gerückt.

Neben der noch ausstehenden Due Diligence der beiden Fusionspartner steht dann eine Kapitalerhöhung von rund 15 Mio. US-Dollar auf dem Programm, um den neuen Entwicklungen etwas mehr kanadischen Rückenwind zu geben. Sollten alle Formalitäten erfolgreich abgeschlossen werden können, wird dieser Börsengang eines deutschen Biotech-Unternehmens ein in den vergangenen Jahren selten gesehenes Ereignis sein und in keinem Jahresrückblick fehlen.

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